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Leben und Werk als Einheit

Für meinen Freund Otto Baumann
 
von Walter Zacharias

 Otto Baumann - drei Jahre ist er nicht mehr unter uns. Seine Freunde, seine Verehrer, warten immer wieder darauf, ob sie ihn nicht über den Domplatz, den Neupfarrplatz gehen sehen, um ein paar verbindliche Worte von ihm zu hören. Auch wenn die Erinnerung an seine liebenswürdige Person noch so lebendig ist, die Bilder künden immer von ihm. Er hat ja in seinem langen Leben wirklich viel gemalt; immer wieder tauchen Bilder auf, die man glaubt, noch nie gesehen zu haben und alle sind unverwechselbar in ihrem kräftigen und doch geschmeidigen Strich, der immer etwas Holzschnitthaftes, Kraftvolles, mit einer barocken, lebensvollen Geste verbindet. - Rhythmus - war für ihn die verbindliche große Geste, in seiner Handschrift schon wahrnehmbar und tragend in jedem Bildaufbau und in jeder inneren Bewegung seiner Blumen- und Landschaftsbilder.

Bei Otto Baumann ist alles Farbe. Ich würde auch seine vielen grafischen Arbeiten farbig nennen, die Holzschnitte und Radierungen, obwohl sie fast alle schwarz-weiß gedruckt sind. Nicht umsonst war sein Leitstern Matisse, einer der wirklich großen Coloristen, dessen Malerei ihn immer wieder in den Bann zog wie sonst kein Maler. Hat ja O. B. seine wichtigsten Jahre des Farbig-Sehen-Lernens in Frankreich verbracht, in Paris und im Land, und daher rührt die Freude und Erkenntnis für das Ucht und die Differenzierung der Farbe. Die Bilder von damals sehen noch sehr tonig gemalt aus; der eigentliche Durchbruch zur kräftigen Farbe war ein langsamer Prozeß, und dies war auch typisch für sein gesamtes Werk; aber es war ein Weg, der ganz organisch die Umsetzung der Farbe hin zu klaren Klängen führte. Nach seiner Münchner Akademiezeit suchte er sich im stillen Oberndorf an der Donau zwei Zimmer im alten Herrenhaus, dem kleinen Sommersitz der Prüfenninger Mönche. Dort hauste er mit seinem Dackel, dem Laubfrosch im Glas und mit einem zahmen Raben.

Aus den Fenstern sah man nach Abbach und auf die alte graue Dorfkirche; er hat die Blicke zu allen Jahreszeiten gemalt und in den Stuben die bäuerlichen Stilleben; Blumen mußten aber immer dabei sein. Auch die Kinder kamen zu ihm "Baumann, malst mi ?"; die Bilder gehören zu seinen besten Arbeiten wie auch die ergreifenden Bilder alter bäuerlicher Menschen. Es war eine stille Zeit für ihn und auch für die gelegentlichen Besucher, die O. B. in dieser Einsamkeit als ein Stück Poesie verehrten.

O. B. war damals noch mit seinen Studienkollegen Hermann Erbe-Vogel, der sich im entlegenen Frauenau seßhaft machte, und mit Gustav Schneider von Ingolstadt, eng befreundet; die drei machten kurz nach dem Krieg eine erste Ausstellung im Kunst-und Gewerbeverein, eine sehr frische aufmunternde Ausstellung nach der lange gegängelten Kunst der Nazizeit.

Verschiedener Umstände halber wechselte Otto Baumann später das ländliche Obemdorf mit seiner Geburtsstadt Regensburg. Er kehrte in die alte elterliche Wohnung am Kassiansplatz zurück, als dritten Abschnitt seines Malerlebens, seiner Motive, seiner Welt. Die Stilleben blieben auch in der Stadt meist bäuerliche Motive; gerne und oft hielt er sich bei Freunden im Bayerischen Wald auf und dort entstan- den im Spätwerk besonders echt erlebte Landschaften und Bilder des bäuerlichen Bereichs. An den Wochenenden fuhr er zum Haus seiner jungen Frau bei Straubing; so konnte er sich auch von dieser Gegend reichlich anregen lassen.

Aber auch die alte Stadt entdeckte er sich jetzt neu; die Stadt, die ihm nun immer mehr am Herzen lag; die er jetzt zu allen Tageszeiten durchwanderte, die Stimmungen zu beobachten, in kleinen Skizzen die Farben notierend, damit er zu Hause die Bilder malen konnte. - Mit 69 Jahren bekam Baumann noch eine Tochter. Er war ein liebevoller Ehemann und Vater und bevorzugte nun das häusliche Beisammensein, wo er von seiner Familie sorgsam umhegt wurde. Für seine Familie kaufte er vormittags ein; bei den Marktfrauen und in den bevorzugten kleinen Läden war er als freundlicher Plauderer beliebt; gegen Mittag kochte er, und der Nachmittag gehörte der Kunst und dem Lesen. O. B. war immer ein tätiger Mensch, und seine künstlerische Arbeit war eingebettet im organischen Ablauf seines Alltags, ohne Allüren des Boheme. Das Musische und Alltägliche waren ihm eine Einheit.

Ich habe ihn wiederholt besucht, als er gerade gekocht und nebenbei gelesen hat; sein Kommentar ... - man muß die Zeit nützen - ... O. B. war ein belesener Mensch, und er konnte sich viel merken. Seine Freunde überraschte er immer wieder mit einem klingend deklarierten Vers, wenn er in besonderer Stimmung war mit einer Opernarie. Das Poetische seiner Bilder lag in seinem Wesen und im Rund seines Lebens. So konnte er auch die Schattenseiten, die über ihn kamen, leichter tragen. Seine schwarzen Konturen könnten von dieser anderen Seite zeugen und manches Memento-Mori-Bild, aber vor allem die vielen Kreuz- und Leidensbilder in seinem reichen religiösen Werk, das nur selten Auftragswerk war. Weihnacht, Kreuz und Auferstehung waren seine bevorzugten religiösen Motive; in allen diesen Bildern lag Hoffnung; niemals war das Leiden ohne Ausweg. Er hat es leider nicht mehr erlebt, daß sein Ölbild einer Pieta im Dom seiner geliebten Stadt nun hängt.

O. B. kam von einer strengen Schule des Sehens. Er legte größten Wert auf die genaue Widergabe der Farben, der Valeurs, der warmen und kalten Töne. Seine Farben sind locker und sicher gesetzt. Ich erinnere mich an eine Reihe Aquarelle "Gänse im Schnee", bei denen er sich intensiv mit den farbigen Valeurs auseinandergesetzt hat. Bei O. B. störte keine Raffinesse, kein betontes Können; um einer Realität zu entgehen, rettete ihn seine unbewußte Naivität, die Franz Winzinger an großen Meistern, vor allem Altdorfer, so schätzte und die Otto Baumann den Vorzug gibt, seiner Realität einen überhöhten, unbeschreibbaren Bezug zu geben.

Zum Schluß meiner Betrachtung möchte ich an die Frage rühren, was an den Bildern Otto Baumanns das Besondere und zugleich auch was wohl das Bleibende ist? Die Kunst wird immer mehr Großstadtkunst und Kunst aus dem Intellekt. Die Bilder Otto Baumanns sind das Gegenteil: sie sind eine naturnahe, organisch gewachsene Kunst bayerischer Prägung, mit großer Ehrlichkeit das Malerische so einfach als es ihm möglich war, klingen zu lassen, mit ausgereiftem Können in jeder Beziehung, und es wird in Zukunft ganz sicher viele Kunstfreunde geben, welche gerade diese Malerei schätzen, weil wir darin immer ärmer werden

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